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Get Rhythm: Freewriting als Kreativitätsübung

Lorem Ipsum, ich bin ein guter Schreiber.
Lorem Ipsum,wer schreibt der ist gescheiter.
Lorem Ipsum, ich weiß nicht wie man reimt, tja.
Lorem Ipsum, pups-a.

Ich sitze gerade an der Arbeit zu einem umfangreichen Buchprojekt, das ich schon einige Monate mit mir herumschleife. An dem ich aber gar nicht konstant arbeite, sondern es mit kurzfristig wichtigeren Aufgaben prokrastiniere.

Ich dachte es macht Sinn, wenn ich vor dem eigentlichen „harten“ Schreiben an diesem Buch ein paar Zeilen im Freewriting-Modus verfasse, um mich ein wenig einzugrooven.

Es ist nämlich so, dass es nun fast 18 Uhr ist und ich nicht mehr in der besten geistigen Verfassung bin, um zu schreiben. Die körperliche Arbeit des Tages fordert seinen Tribut.

Aber, ich muss es irgendwann fertigkriegen und so langsam zählen keine Ausreden mehr.

Also ziehe ich meine Bose Noise Chancelling Kopfhörer auf, schalte Oliver Koletzki auf Spotify an und beginne zu tippen.

Mein Ziel ist es, mein Hirn in einen Flow zu kriegen. Einen Zustand völliger Schwerelosigkeit, in der die Zeit nicht existiert und ich frei und unkritisch schreiben kann. In diesem Zustand entstehen Texte, „die passen“. Bei denen es Klick macht. Ein Satz den nächsten ergibt und bei denen der Leser den Rhythmus des Wortes spüren kann. Bei dem ich meine innere Stimme in meinem Kopf höre und nur noch die Finger über die Tasten bewegen muss.

Das Freewriting ist eine exzellente Übung, um ein regelmäßiges Abtauchen in diesen Modus zu üben.

Ich habe mir diese Methode vor ein paar Monaten antrainiert, um meine schriftstellerischen Fähigkeiten zu verbessern. Ziel war es, einfach jeden Tag eine bestimme Zeit zu schreiben. Mehr nicht. Daraus wurde dieser Blog und meine 365 Tage Challenge.

Beim Freewriting ist es wichtig den inneren Kritiker abzuschalten und einfach zu schreiben. Es darf nicht gelöscht werden. Na gut, fast nicht. Wenn eine Abzweigung im Text für das Fortkommen gar nicht funktioniert, ersetze ich schon einmal schnell das ein oder andere Wort. Aber häufig genügt dafür auch einfach der nächste Absatz.

In diesem Modus zu schreiben ist einfach und schnell, weil ich meine Gedanken fließen lassen kann. Am Anfang fühlt es sich aber komisch an und ich habe mich nur zögerlich vorgetastet. Es ist nämlich wie im Schach: Wenn man seinen Zug gemacht hat und sich mit einem Argument, einer Meinung oder einem Beispiel positioniert hat, gibt es kein Zurück mehr.

Berührt ist geführt.

Aber es ist mehr als Schach. Es ist Blitzschach. Denn es wird nicht nachgedacht und nicht abgesetzt. Ich muss flüssig schreiben, um nicht den Rhythmus zu verlieren. Um den roten Faden im Kopf zu behalten, der vor meinem geistigen inneren Auge vor mir herumschwirrt, wie die Karotte vor den Augen des Esels.

Get rhythm, when you get the blues

Das hat schon Johnny Cash gesungen, über einen kleinen Schuhputz-Jungen, der den dreckigsten Job der Stadt hat, aber immer mit Elan die Schuhe poliert.

Eine sehr passende Metapher, über die ich immer wieder nachdenke, wenn ich Menschen in ihrem Alltag beobachte, die scheinbar profane Dinge tun und dabei wirken, als würden sie in sich ruhen. Als wären sie völlig bei sich.

Das hat mich zum Beispiel in Bali tief beeindruckt. Die balinesische Bevölkerung ist zu großen Teilen hinduistisch und führt ein recht einfaches Leben, das sich häufig im Tourismus und dem daran angebundenen Dienstleistungssektor abspielt. Oder sie sind Bauern.

Aber eines waren sie irgendwie alle: glücklich.

Zumindest haben sie sich nie beschwert und haben ihre Dinge getan.

Zum Beispiel geputzt.

Ich habe vorher noch nie gesehen, dass jemand seinen Bürgersteig vor dem Haus mit einem Wasserschlauch reinigt. Aber dort ist das gang und gebe. Jeden Tag, verrichten sie dort ihre Haushaltspflichten mit größter Genauigkeit. Was wohl auch mit dem tiefen Glauben zusammenhängt und damit, dass jedes Haus seinen eigenen, kleinen Tempel besitzt.

Ich glaube, dieses „rituelle Putzen“, der feste Tagesablauf und die Struktur im Leben, gibt den Balinesen Kraft. Es erfüllt sie und sie finden darin ihren „Rhythmus“.

Ich weiß nicht, ob es das war, was Johnny Cash meinte, als er dieses Lied schrieb. Immerhin stammte Cash aus den USA und war dort tief verwurzelt in Blues und Jazz – oder was es zu seiner Zeit davon bereits gab.

Vielleicht meinte er auch einfach, dass man sich auch die Dinge schön machen kann, die man machen muss und eigentlich monotone Aufgaben sind. Zum Beispiel, indem man sie mit Musik verbindet und seinen Groove findet.

Also sitze ich hier und schreibe meine Zeilen im Takt. Tag für Tag.

 

Foto: Abis Ismail

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